REZENSION – Zerrissene Erde – N.K. Jemisin

Die Geschichte beginnt mit einem Vorspiel in dem ein Mann, der von einem nicht menschlichen Wesen begleitet wird, die Welt zerstört. Er tut das, in dem er den Kontinent (der früher einmal aus mehreren bestand) in zwei Hälften spaltet. Außerdem ist die Rede von einer prachtvollen Stadt und großen Errungenschaften sowie von einer Frau, deren Sohn erschlagen wurde. Dann geht es los.

Die Frau heißt Essun, sie lebt in einer unbedeutenden Gem namens Tirimo und ist eine Orogene. Das verheimlicht sie jedoch.  Niemand weiß davon außer ihren Kindern, denn sie haben den Fluch von ihr geerbt. Eines Tages kommt sie heim und findet ihren dreijährigen Sohn, blutend am Boden liegend. Er ist tot – erschlagen von seinem eigenen Vater. Der wiederum ist verschwunden und wie es aussieht, hat er ihre Tochter mitgenommen. Essun befürchtet, dass er sie ebenfalls töten wird, denn auch sie ist eine Orogene und damit eines der am meisten gehassten und gefürchteten Wesen auf der Welt. Also macht sich Essun auf die Suche. Sie folgt der imperialen Straße in Richtung Süden. Sie vermutet, der Mörder ist in diese Richtung gegangen, denn im Norden ist etwas passiert. Ein großes Beben, eine Katastrophe, der Himmel ist voller Asche, die Menschen fliehen – die nächste Fünftzeit hat begonnen.

Damaya ist noch ein kleines Mädchen als ihre Eltern erfahren, dass sie eine Orogene ist. Sie sperren sie in die Scheune ein um sich zu schützen und um das Mädchen vor dem Mob zu schützen. Doch sie wird von einem Wächter gefunden und in die Hauptstadt Yumenes gebracht. Dort befindet sich das Fulcrum, ein Orden von Orogenen, die sich und ihre Fähigkeiten in den Dienst der Menschheit stellen. Damaya durchläuft dort eine harte Ausbildung und entdeckt in den Tiefen des riesigen komplexes ein Geheimnis, das niemals hätte gefunden werden sollen. Damit verändert sie nicht nur ihr eigenes Leben.

Syenit ist eine vierberingte Orogene, die mit ihrem zehnberingten und somit äußerst mächtigen Mentor Alabaster auf den Weg in den Süden ist. Im Auftrag des Fulcrum sollen sie den Hafen einer kleinen Küstenstadt von einem Hindernis befreien. Die beiden könnten unterschiedlicher nicht sein und sie können sich nicht ausstehen. Trotzdem schlafen sie jede Nacht miteinander – es ist eine Pflicht für sie. Das Fulcrum will es so.

Dies sind die drei Handlungsstränge der Geschichte Und wenn ihr jetzt vieles überhaupt nicht verstanden habt, weil ich Begriffe verwendet habe, die es nicht gibt und die ich nicht erkläre und weil ich mich auf Orte und Ereignisse beziehe, von denen ihr keine Ahnung habt, dann habt ihr genau den richtigen Eindruck von dem Buch bekommen.

In Zerrissene Erde geht es um eine Welt, die „Die Stille“ genannt wird. Das ist wohl eher ironisch gemeint, denn diese Welt wird ständig von Erdbeben und Vulkanausbrüchen heimgesucht. Manche davon sind so schlimm, dass sie für mehrere Monate oder Jahre den Himmel verdunkeln, sodass keine Nahrung mehr angebaut werden kann und Menschen und Tiere massenweise sterben. Das wird als Fünftzeit bezeichnet. Danach erholt sich die Menschen langsam wieder und es geht irgendwie weiter, wenn auch meist anders als vorher.

In dieser Welt leben nicht nur Menschen unterschiedlichster Herkunft, sondern auch Menschen mit einer besonderen Gabe bzw. einem Fluch. Man fürchtet sich vor ihnen, denn sie sind in der Lage alles Leben um sich herum auf einen Schlag zu vernichten. Allerdings gibt es auch eine andere Seite ihrer Fähigkeiten. Sie können die Menschen vor den allgegenwärtigen tektonischen Aktivitäten schützen. Also werden sie je nach Bedarf geliebt oder gehasst. Sie müssen sich ständig aufs Äußerste kontrollieren, denn sobald sie jemandem Angst einjagen, ist es vorbei. Sie werden getötet, denn sie sind nichts wert. 

Die hier entworfene Welt und die dazugehörige Geschichte stellen durchaus etwas Besonderes  dar in dem zum Teil recht eintönig gewordenen Genre der fantastischen Literatur unserer Zeit. 
Es geht in diesem Roman um eine Menschheit (ob es sich dabei um unseren Planeten handelt oder nicht, wird nicht klar), die ständig im Angesicht des drohenden Weltunterganges lebt, um die Verschiedenartigkeit der Menschen und um ihren Umgang miteinander.
Es geht aber auch um die Angst vor dem was man nicht versteht oder verstehen will und um die Konsequenzen daraus – Hass, Vorurteile, Ausbeutung und Tod. 

Dieser Roman hat mich trotz seiner guten Story sehr zwiegespalten zurückgelassen. Der Anfang ist derart verwirrend, dass man schon nach wenigen Kapiteln geneigt ist, die Lektüre zu beenden. Hinzu kommt, dass der gesamte Roman im Präsens geschrieben ist. Dadurch sind die verschiedenen Zeitebenen in denen er spielt schwer zu verstehen bzw. lange Zeit gar nicht erkennbar. Eine weitere Besonderheit in der Erzählweise ist, dass die Kapitel von Essun in der zweiten Person Singular geschrieben sind. Man wird also als Leser mit „Du“ ausgesprochen. Mir ist die Bedeutung des ganzen nicht klar geworden. Sollte ich als Leser mehr involviert werden? War es als eine Art Abgrenzung zu den anderen Handlungssträngen gedacht? Mich hat es jedenfalls mehr verwirrt als angesprochen. 

Der Leser muss sich die Welt komplett selbst erschließen. Es gibt keinerlei Erklärungen zu solchen erfundenen Begriffen wie „Orogene“ oder „mentasten“. Auch die Struktur der Gesellschaft sowie die geschichtlichen Zusammenhänge muss man selbst kapieren. Gut, dass es am Ende ein Glossar gibt, wo man die Begriffe nachlesen kann. 
Ich finde diese Art des Geschichtenerzählens nicht sehr elegant. Es sollte nicht allzu schwer für einen Autor/eine Autorin sein, in ein-zwei Nebensätzen ein erfundenes Wort zu erklären oder in Dialogen oder meinetwegen auch inneren Selbstgesprächen ein paar Hintergründe zu erläutern. 

Nun ja, dieses Buch ist preisgekrönt. Vielleicht sehe ich das alles ganz falsch und habe kein ausreichendes Gespür für die Kunst die darin steckt. 

Trotz aller erzählerischen Schwierigkeiten, die ich mit der Geschichte hatte, hat sie mich in ihren Bann gezogen. Die Story ist einfach zu gut. Doch am Ende wurde ich nochmals heftig enttäuscht. Das Buch endet mit einem Cliffhanger – nein – eigentlich endet es überhaupt nicht. Ein übler Schlag für den Leser. Auch wenn die Geschichte von vornherein als Trilogie angelegt war, ist es sehr unfair, die Leser zurückzulassen, ohne auch nur eine der vielen offenen Fragen aufzuklären. 

Wie ihr seht – ich bin auch zerrissen. Geschichte Top – Erzählstil Flop (oder vielleicht auch Kunst)

Ob ich die weiteren Teile der Reihe lesen werde? Ich bin mir nicht sicher. Fakt ist, dass mich das Buch berührt hat, es geht mir nicht aus dem Kopf. Andererseits habe ich keine Lust auf diese stilistischen Eigentümlichkeiten, die mir das Lesen und das Verständnis schwer machen. 

Fazit: Zerrissene Erde = Zerrissene Leser

Buch: Zerrissene Erde
Autorin: N.K. Jemisin
Verlag: Knaur, broschiert

 

 

 

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