Inhalt:
Er lebt in einem Haus, das er sich mit Meerestieren, Vögeln und tausenden von Statuen teilt.Im Erdgeschoss ist der Ozean. Wild und ungezähmt mit seinen Fluten und Gezeiten, dann und wann recht bedrohlich, bietet er ihm jedoch ausreichend Nahrung.Im Obergeschoss sind die Sonne, die Sterne und die Wolken. Letztere sorgen für sein Trinkwasser.
Er wandert täglich durch die gewaltigen Säle, um sie zu kartieren. Es sind tausende. Sie sind hunderte Meter lang und breit und beherbergen gigantische Minotauren, Könige in Streitwägen und ganze Heere von Statuen – Menschen und Tiere.
Die Skulpturen sprechen zu ihm, da ist er sich sicher. Sie erzählen eine Geschichte – jede einzelne. Um sie zu verstehen, studiert er sie. Er studiert auch die Gezeiten des Meeres und die Vögel, denn auch sie sprechen mit ihm – auf ihre Weise.
Er ist fast allein mit alldem, es gibt nur einen anderen auf der Welt – Den Anderen.Der Andere nennt ihn Piranesi, doch das ist nicht sein Name.
Er trifft Den Anderen immer Dienstags und Donnerstags, sie tauschen sich über ihre Forschungen aus, denn sie beide sind Erforscher dieser Welt – nur mit verschiedenen Zielen.Für Piranesi ist diese Welt sein Zuhause, von dem er sich sicher ist, dass es ihn beschützt.Für Den Anderen ist es nur das Zuhause eines großen Geheimnisses dem eine große Macht innewohnt. Er will es finden und für sich nutzen.
Piranesi erzählt ihm von den Dreizehn Toten, die er gefunden hat und sorgsam pflegt. Es sind nur Knochen, doch er behütet sie, bringt ihnen schöne Dinge und leistet ihnen Gesellschaft.
Doch Der Andere ist für solche Betrachtungen völlig unempfänglich. Er teilt Piranesis bedingungslose Liebe und Achtung für das Haus und alles was in ihm wohnt nicht.
Die Leser begleiten Piranesi, sehen das Haus und seine Bewohner durch dessen Augen, sie entdecken und lernen Neues mit ihm und sie erleben mit, wie die Veränderung beginnt.
Meinung:
Zu Beginn war ich etwas verwirrt. Ich konnte mit den Beschreibungen des Hauses und dessen was Piranesi dort macht, zunächst nichts anfangen. Ich habe immer versucht, dahinter zu schauen und herauszufinden, in welcher Beziehung das ganze zur realen Welt steht, ob es vielleicht eine große Metapher für irgend etwas ist.
Doch mit der Zeit war ich unheimlich fasziniert von den Bildern, die die Autorin mit ihren Worten gezeichnet hat. Hinzu kam das Wesen Piranesis. Er war irgendwie kindlich naiv, wissbegierig und außergewöhnlich klug. Ich war hin und her gerissen zwischen Bewunderung und Mitleid. Denn man spürt beim Lesen durchaus, dass diese ganze Welt, so faszinierend sie auch ist, nicht richtig ist und dass Piranesi nicht immer der war, der er jetzt ist.
Ich hatte während der Lektüre verschiedene Vermutungen, was diese Welt sein könnte in der Piranesi lebt. Doch sie alle erwiesen sich am Ende als falsch und viel zu banal.
Weil an dieser Geschichte eigentlich nichts so ist, wie man es auf Grund seiner bisherigen Erfahrungen erwartet, kommt auch das Ende nicht gewöhnlich daher. Ist es ein gutes Ende oder ein tragisches? Man weiß es nicht. Es ist auf jeden Fall ein schönes.
Es handelt sich hierbei übrigens um eine Geschichte, die man mit dem Wissen um deren Auflösung durchaus noch einmal lesen kann, weil man diese Welt dann mit einem völlig anderen Blick noch einmal neu erleben kann.
Fazit: Piranesi ist ein ganz außergewöhnlicher phantastischer Roman – also dem Genre Phantastik zuzuordnen. Er ist ruhig und poetisch erzählt, ohne jemals schwülstig oder langatmig zu sein. Ihm wohnt eine Art von Dramatik inne, die man als Leser ganz intensiv erlebt. Dabei kommt er ohne Action und Knallerei aus.
Susanna Clarkes Werk zeigt eindrucksvoll, was in der Phantastik abseits des Mainstream alles möglich ist.
Verlag: Carl Blessing
Autorin: Susanna Clarke