Fischer Verlag
480 Seiten
Gebundene Ausgabe
Der Ghostwriter Tommy Thompson erhält von einem Anwalt den Auftrag die Geschichte seines Mandanten aufzuschreiben. Dieser Mandant – Marcus Garvey – sitzt im Gefängnis und wartet auf seinen Prozess, denn er soll zwei junge englische Aristokraten im Kongo ermordet haben.
Marcus erzählt Tommy also über Monate hinweg seine Version der Ereignisse im Kongo und was als für die damalige Zeit typisches Goldsucher-Abenteuer in Afrika beginnt, entpuppt sich plötzlich als eine völlig schräge, emotionale und sehr unheimliche Geschichte.
Und nicht nur das! Der Schreiber selbst, fühlt sich dieser Geschichte so nah, wie es eigentlich nicht sein dürfte. Er fühlt sich als Teil von ihr, beginnt einer Frau zu verfallen, von der Marcus erzählt und selbst während seines Dienstes in der Armee, in welchen er wegen des 1. Weltkrieges zwischenzeitlich einberufen wurde, übt sie einen Einfluss auf ihn aus, der ihn fast umbringt… oder ihn rettet (?).
Das Buch über die Erlebnisse von Garvey und über die Umstände des Todes der beiden jungen Aristokraten wird ein Bestseller. Der Angeklagte wird zum Helden, denn er hat die Welt vor einer bislang völlig unbekannten und wahrlich unheimlichen Bedrohung gerettet – vorerst!
Doch damit ist die Geschichte nicht zuende. Der Schriftsteller Tommy Thompson, dem das Buch so wichtig ist, wie sein eigenes Leben, der sich verliebt hat in eine ihm unbekannte Frau, muss erfahren, wie nah Lüge und Wahrheit beieinander liegen, wie wenig die Menschen der Unterschied interessiert, was passiert, wenn die Grenzen zerfließen, man ahnungslos hindurchtappt und zu ihrem Spielball wird.
Das klingt zum Teil recht kryptisch – geht aber im Rahmen der Spoiler Vermeidung nicht anders.
„Pandora im Kongo“ ist ein fantastischer Roman (also dem Genre Fantasy zuzuordnen) – auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht. Das liegt zum einem an dem, wie ich finde, sehr schönen aber fantasy-untypischen Buchcover und zum anderen an der Sprache die, wie soll ich sagen… sehr literarisch ist. Es ist allein schon deswegen ein Genuss, dieses Buch zu lesen, denn man hat die ganze Zeit das Gefühl, ein Stück großer Literatur vor sich zu haben und doch ist es ein Fantasy-Roman. Manche würden das als Paradoxon bezeichnen. 😉
Pinol konstruiert überaus geschickt die Geschichten um den jungen Schriftsteller in England und die um die Ereignisse im Kongo. Zu Beginn, sind diese völlig getrennt voneinander doch mit der Zeit ergreift die eine Geschichte immer mehr Besitz von der anderen. Man hat das Gefühl, dass der Kongo, diese riesige grüne Hölle, die doch so schreckliche Gefahren in sich birgt, immer mehr Raum einnimmt und sich die ganze Welt zu eigen machen will. Die Stimmung wird immer bedrückender und beängstigender. Das liegt nicht nur an den mysteriösen Ereignissen im Kongo, sondern auch an Art und Weise, wie mit den Einwohnern dort umgegangen wird. Für die englische Gesellschaft waren Schwarze zu dieser Zeit keine Menschen. Selbst Südeuropäer, wie der Angeklagte einer ist (zur Hälfte jedenfalls), werden als weniger wert und höchstens als Stallburschen tauglich angesehen und auch so behandelt.
Das, womit die Goldsucher im Kongo konfrontiert werden, stellt im Grunde ein Spiegelbild dessen dar, was die Kolonialmächte in Afrika taten. Und es ist gerade dabei, diese Welt zu entdecken, was man als Leser mit immer größer werdendem Unbehagen wahrnimmt.
Die Charaktere in dem Buch sind durchweg sehr stark. Am beeindruckendsten fand ich den Schriftsteller Tommy – auch wenn er das Abenteuer im Kongo gar nicht selbst erlebt hat. Aber er macht dafür die größte Entwicklung von allen durch und am Ende ist er der eigentliche Held. Bei den beiden jungen Engländern, die ihr Leben im Kongo verlieren, schwankte ich immer zwischen Abscheu und Mitleid und der Angeklagte, Marcus Garvey, war von Beginn an der Sympathieträger und das kann man als eine große Leistung von Pinol bezeichnen.
Nachdem ich das Buch ausgelesen hatte, war ich zunächst ein wenig enttäuscht. Bis zur Hälfte des Buches, hat mich die Geschichte wirklich gefesselt. Danach haben sich für meinen Geschmack ein paar Längen eingeschlichen und als ich zum Ende kam, war die Begeisterung ein wenig geschwunden. Deshalb habe ich mir ein paar Tage Zeit gelassen mit der Rezension und kann nun feststellen, dass mich das Buch trotzdem enorm beeindruckt hat. Ich denke, dass es an der in meinen Augen etwas unglaubwürdigen Liebesgeschichte, die sich im Kongo entwickelte, lag und die zum Ende hin immer wichtiger wurde. Das hat mich etwas genervt. Aber wenn man erstmal am Ende angekommen ist, wird einem klar, warum eigentlich… ;-).
Fazit: Ein außergewöhnlicher, beeindruckender Roman, der den Leser in die tiefgrüne Hölle des Kongo und in die Abgründe der menschlichen Natur entführt und dort festzuhalten vermag.
Wertung 8 von 10 Punkten