FINSTERE ORTE – Gillian Flynn

finstereOrteRoman

Gillian Flynn

FISCHER
528 Seiten

Ausgabe nicht mehr erhältlich

Vor 25 Jahren überlebte Libby Day den Mord an Ihrer Familie. Sie war die einzige, die gegen den Mörder – ihren Bruder Ben aussagen konnte und ihn für immer hinter Gitter brachte.
Was wird aus einem Kind, das mit sieben Jahren miterlebt, wie seine Mutter und die zwei Schwestern abgeschlachtet werden, das gegen seinen eigenen Bruder aussagen muss und schließlich als das ewige Opfer in der Verwandtschaft hin und her gereicht wird? Was für eine Frau aus Libby geworden ist, lässt sich mit wenigen Worten beschreiben: haltlos, antriebslos, freudlos, einsam!
Libby lebte bis dato von Spenden, die nach dem Massaker aus ganz Amerika für sie eingingen. Doch das ist nun vorbei. Das Geld ist verbraucht und Libby sucht eine neue Einnahmequelle. Da Arbeiten für sie nicht in Frage kommt, lässt sie sich mit einer Gruppe von Nerds ein. Einem sogenannten Kill-Club – Menschen, die fasziniert sind von unaufgeklärten Verbrechen und in diesem Fall ganz besonders von dem was Libby passiert ist. Es stellt sich heraus, dass diese Leute keineswegs an die Schuld von Ben, Libbys Bruder, glauben. Und sie bieten ihr Geld dafür, wenn sie zur Aufklärung des Ganzen beiträgt – auch wenn sie dabei selbst als Lügnerin entlarvt werden könnte (sie hat schließlich gegen Ben ausgesagt). Nur aus reiner Geldgier macht Libby bei der Sache mit und beginnt, Menschen aus ihrer Vergangenheit, unter anderem Ben in seinem Gefängnis, aufzusuchen und sie nach Details des Falles zu befragen. Bei den Recherchen stößt sie auf Personen, die nie in die Ermittlungen einbezogen wurden, weil niemand von ihnen wusste bzw. sie von anderen absichtlich heraus gehalten wurden. Schnell wird klar, dass es außer Ben noch mehr Verdächtige gibt. Was am Ende jedoch heraus kommt, ist eine Überraschung.

Die Geschichte wurde von der Autorin recht geschickt aufgebaut. Man begleitet Libby in der Gegenwart bei ihren Ermittlungen und erfährt dabei auch viel von ihren Erinnerungen an die Mordnacht und an ihre Familie. Außerdem gibt es immer wieder Rückblenden. In diesen wird ein Tag in der Familie bis hin zu der Nacht des Massakers aus der Sicht von Libbys Mutter und aus der Sicht ihres Bruders Ben erzählt. Somit nähert man sich langsam dem großen Finale und lernt alle Details des Falles kennen (auch die, welche die Polizei damals nicht kannte). Am Ende erwartet den Leser eine kleine Überraschung. Zwar gibt es einen Hinweis, den man gut deuten kann und der einen in gewisser Weise auf die richtige Fährte führt – die ist aber dann doch nicht hundertprozentig richtig. Es gibt am Ende tatsächlich eine kleine Überraschung.
Vom Aufbau und der Erzählweise lässt die Geschichte kaum zu wünschen übrig. Es ist stets eine nagende Ungewissheit vorhanden und man ist neugierig, wie es weiter geht. Auch die Sprache ist sehr angenehm – auf Geschwafel und ausufernde Beschreibungen verzichtet Gillian Flynn und schafft es trotzdem, der Geschichte viel Atmosphäre einzuhauchen.
Jetzt kommt leider das große Aber: Obwohl die Geschichte wirklich intelligent erdacht und interessant war, fiel es mir schwer, das Buch wieder in die Hand zu nehmen, wenn ich es mal weggelegt hatte. Und als ich es ausgelesen hatte und das Ende auch gut fand, habe ich es mit einem Schulterzucken zugeklappt und war völlig unberührt. Es gibt zwei Hauptgründe dafür. Der Erste: Das Buch nennt sich zwar Thriller aber im Grunde passiert so gut wie gar nichts. Zwar ist der Mord ziemlich brutal und blutig gewesen aber der war ja längst geschehen. Eine Gefahr für die im Jetzt handelnden Personen hat nicht bestanden. Es gibt einen kurzen Zwischenfall gegen Ende des Buches aber mit dem rechnet man überhaupt nicht. Somit entsteht nie eine wirkliche Spannung – man muss sich einfach keine Sorgen um Libby oder sonst wen machen. Es ist rein das Interesse an der Aufklärung des Falles, das einen zum Lesen antreibt.
Punkt Zwei: Ausnahmslos alle Figuren, die in diesem Buch vorkamen, waren unsympathisch! Die Autorin hat es nicht geschafft, auch nur eine liebenswerte oder bemitleidenswerte Person zu erschaffen, mit der man als Leser mitfiebern kann und für die man sich ein Happy End wünscht. Vielleicht war das auch die Absicht der Autorin – aber das geht völlig in die Hose. Das ist auch der Grund dafür, warum ich kein großes Interesse hatte, das Buch wieder zur Hand zu nehmen, wenn ich mal aufgehört hatte zu lesen. Es war mir im Grunde völlig egal, ob Libby es schafft, ihren Bruder zu entlasten bzw. wer der Mörder der anderen war. Ja – selbst die Mordopfer waren total unsympathisch. Hat es mich am Anfang noch schockiert, was mit ihnen geschehen war, so änderte sich das Empfinden mit jeder Seite, die ich mehr über diese Familie las. Und am Ende war ich aus genau diesem Grund so völlig unberührt.

Fazit: Als tragischer Roman – eine psychologische Studie, wäre es sicher ein gutes Buch. Als Thriller ist es das leider nicht. Somit hat es meine Erwartungen leider nur zum Teil erfüllt (wenn auch in diesem Teil sehr gut). Trotzdem: ich kann es nicht uneingeschränkt empfehlen und deshalb gibt es 5 von 10 möglichen Punkten

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